Dialog mit der Kanzlerin
Wildeshauser Polizistin Gerke Stüven nimmt an virtuellem Bürgerdialog teil
Gerke Stüven (39) hat zum 1. Februar 2018 die Leitung des Polizeikommissariats Wildeshausen übernommen. Vorher war sie Leiterin des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/ Friesland.
Der 30. November wird Gerke Stüven nachhaltig in Erinnerung bleiben. Denn die Leiterin des Polizeikommissariats Wildeshausen nahm am virtuellen Bürgerdialog mit Bundeskanzlerin Angela Merkel teil. Gemeinsam mit elf Kollegen aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei schilderte die Polizeioberrätin ihre Erfahrungen und Erlebnisse während der Corona-Pandemie.
Frau Stüven, wie kam es dazu, dass Sie an dem Bürgerdialog mit der Bundeskanzlerin teilnahmen?
Gerke Stüven: Das niedersächsische Innenministerium hatte Plätze für die Videokonferenz zugewiesen bekommen. Einer davon ging an die Polizeidirektion Oldenburg. Der Blick von Polizeipräsident Johann Kühme fiel dann sehr schnell auf die Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch. Auch weil wir hier schon Erfahrungen mit Corona-Infektionen in der Fleischindustrie und in Seniorenheimen hatten. Und er wollte gerne eine Führungskraft mit einer Sicht auf die internen Anforderungen nach innen, aber auch nach außen. Und so wurde der Kreis immer enger. Bis ich dann gefragt wurde.
Wie war Ihr Gefühl, als die Anfrage von Polizeivizepräsident Andreas Sagehorn für die Teilnahme an dem Dialog kam?
Mein erster Gedanke war: Meint der das jetzt ernst? Aber meine Freude war riesig, ich habe nicht eine Minute überlegt, ob ich da mitmache, und habe sofort Ja gesagt.
Wie haben Sie den Tag in Erinnerung?
Ich war zugegeben schon aufgeregt. Aber ich hatte große Unterstützung. Mir wurde in der Kooperativen Leitstelle ein Raum zur Verfügung gestellt. Im Nebenbüro saß ein IT-Techniker, der im Notfall sofort hätte helfen können. So konnte ich mich ganz auf die Videokonferenz mit der Bundeskanzlerin konzentrieren.
Wie haben Sie das Gespräch mit der Bundeskanzlerin erlebt?
Es gab eine Einleitung durch eine Moderatorin, und ich war dann gleich die Erste, die zu Wort gekommen ist. Ich habe erzählt, was die Corona-Pandemie für unsere Dienststelle bedeutet, welche Hygienekonzepte wir umsetzen, wie wir unsere inneren Strukturen und Abläufe angepasst haben. Frau Merkel hat auch nachgefragt, interessierte sich für die Kolleginnen und Kollegen. Sie wollte wissen, ob es Gewalt gegen unsere Beamtinnen und Beamten gab und ob sich Kollegen oder Kolleginnen auch schon infiziert hätten.
Konnten Sie oder Ihre Kolleginnen und Kollegen während des Bürgerdialogs auch Forderungen oder Wünsche an die Kanzlerin richten?
Ja, die Bundeskanzlerin hat auch direkt nachgefragt. Wir haben deutlich gemacht, dass Appelle der Politik an Bürgerinnen und Bürger für uns als Polizei schwierig zu handhaben sind. Wir benötigen klare Regelungen, um handlungssicher auftreten zu können. Wenn sich die Bundesregierung auf Empfehlungen einlässt, dann haben wir zum Beispiel keine gesetzliche Grundlage, um ein Grundstück zu betreten. Schon in der ersten Corona-Welle gab es rechtliche Unsicherheiten. So war nicht geregelt, wie viele Personen sich privat treffen durften. Das ist jetzt zum Glück eindeutiger.
Gab es noch weitere Wünsche an die Bundeskanzlerin?
Die Kolleginnen und Kollegen haben bei dem Gespräch auch den Wunsch nach klaren einheitlichen Regeln geäußert. Das ist auch eine Frage der Transparenz in der Bevölkerung. Das hat auch Auswirkungen auf unseren polizeilichen Alltag. Ich hatte den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin das auch aufgenommen hat. Aber ich muss auch realistisch sein und weiß, dass die Polizei Ländersache ist.
Wie sind denn bisher Ihre Erfahrungen mit den Corona-Einschränkungen vor Ort in Wildeshausen?
Die sind grundsätzlich gut und positiv. Die meisten Menschen halten sich an die Vorgaben. Wir führen regelmäßig Kontrollen durch, so auch auf dem Wildeshauser Wochenmarkt. Und wir gehen jedem Hinweis nach und überprüfen das vor Ort. Es kommt im Bereich unseres Polizeikommissariats aber immer wieder vor, dass im privaten Bereich gegen die Regeln verstoßen wird. Das ist zum Glück aber nicht unser Tagesgeschäft. Wofür ich allerdings keinerlei Verständnis habe, das sind Verstöße gegen die Quarantäneauflagen. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, wie man andere Menschen in Gefahr bringen kann, nur weil man meint, sich nicht an diese Auflagen halten zu müssen.
Wie gehen Sie und Ihre Kollegen persönlich mit der Corona-Pandemie um?
Das war auch ein Thema beim Gespräch mit der Bundeskanzlerin. Die Kollegen müssen sich durchaus schon mit Infizierten auseinandersetzen bei Einsätzen im häuslichen Umfeld. Bislang hat das aber noch keine Auswirkungen auf die Kolleginnen und Kollegen. Obgleich sie sich schon Gedanken machen, denn alle haben ja selbst auch Eltern und Großeltern. Das hat manchmal zur Folge, dass man sich im privaten Bereich sehr zurückzieht.
Wie war ihr Eindruck nach dem Gespräch mit Angela Merkel?
Die 90 Minuten sind vergangen wie im Fluge, es gab sehr viel Gesprächsstoff. Ich fand es toll, dass Frau Merkel sich mit unserer Berufsgruppe auseinandergesetzt hat. Die Nachfragen und ihr Zuhören haben einen positiven Eindruck auf mich gemacht. Alles in allem war das ein einmaliger, besonderer Termin für mich.
Das Interview führte Martin Siemer.
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