Cafés am Westring sorgen für Ärger
Wildeshauser Politiker sind uneins über Ansiedlungen von Gastronomie – Innenstadt-Konkurrenz befürchtet
Von Martin Siemer
Wildeshausen. Die Reaktion des Wildeshauser Stadtrates auf eine Frage von Bäckermeister Dirk Schnittker in der jüngsten Ratssitzung sprach Bände. Schnittker wollte wissen, warum der Rat und seine Ausschüsse immer wieder vom Schutz der Innenstadt sprechen und gleichzeitig alles dafür tun, diesen Schutz immer weiter auszuhebeln. Weder Politik noch Verwaltung beantworteten die Frage.
Der Bäckermeister, dessen Familienunternehmen seit über 120 Jahren in der Huntestadt Brot und Brötchen backt, stört sich an den Entscheidungen der Politik, in Wildeshausen zwei weitere großzügige Cafés zuzulassen. Neben einem geplanten Café im Gartenfachmarkt Ostmann am Westring soll auch im Zuge des Neubaus des Rewe-Marktes am Huntetor ein weiteres Café entstehen. Außerdem sind derzeit Handwerker im E-Center am Westring aktiv, um dort einen Gastrobereich herzurichten. Dass dort ebenfalls ein weiteres gastronomisches Angebot entsteht, war offenbar vielen Politikern nicht bekannt.
Die Sichtweise, wie die Entwicklung des Westrings und damit auch die Stärkung der Innenstadt gesteuert werden können, ist sehr unterschiedlich. Das zumindest ergab eine Anfrage, die unsere Zeitung an die im Rat der Stadt Wildeshausen vertretenen Fraktionen und Politiker gestellt hat. Die CDU-Fraktion hält die Einrichtung eines Cafés im Gartenfachmarkt Ostmann für zulässig. „Die Regelung eines Cafés und Bäckers im Bereich Ostmann resultiert aus geänderten Vertragsverhältnissen zwischen Bäckereibetrieb und Lidl“, berichtet der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Sasse. Die in einem Verkaufscontainer auf dem Ostmann-Parkplatz untergebrachte Bäckerei war vorher im Lidl-Markt beheimatet.
Sasse hatte in den Beratungen zudem auf die Planungssicherheit für die Investoren hingewiesen. Für Marko Bahr (FDP) ist das allerdings nur ein Vorwand: „Beim Windpark in Aldrup hat die Planungssicherheit keinen interessiert.“ Bahr sieht in dem neuen Angebot bei Ostmann zudem die Gefahr, dass die sonntäglichen Schautage im Gartenfachmarkt Café-Besucher aus der Innenstadt abziehen.
Auch für Kreszentia Flauger von den Linken sind die neuen Angebote eine klare Konkurrenz für Bäckereien und Cafés in der City. „Wer von Innenstadtstärkung redet, der muss auch den Mut und die Konsequenzen haben, Konkurrenz zu begrenzen und auch einmal Nein sagen.“
Der fraktionslose Abgeordnete Karl Schulze Temming-Hanhoff stört sich schon an den Ausnahmegenehmigungen für den Bäckerladen auf dem Ostmann-Parkplatz. „Ohne Beteiligung der politischen Gremien hat es die Verwaltung vor Jahren zugelassen, dass der Backshop etabliert wurde, obwohl es der gültige Bebauungsplan nicht zuließ.
Auch die Grünen sehen die zusätzlichen Gastro- und Cafébereiche problematisch für die Innenstadt. „Offenbar ist in diesem Punkt kollektiv gepennt worden“, teilt Klaus Schultze mit. Kernproblem und eine wirkliche Schwächung der Innenstadt seien die ganzen Cafés, die am Westring nicht nötig wären.
Die SPD erkennt ebenfalls eine grundsätzliche Bedrohung für die Innenstadt. Allerdings stelle sich die Situation heute anders dar als zu Beginn der Bauleitplanung. Für die Kunden, aber auch Mitarbeiter aus benachbarten Gewerbebetrieben sollten am Westring schon Möglichkeiten für eine Kaffeepause vorhanden sein. „Eine aggressive Aufwertung der Aufenthaltsqualität am Westring muss mit größter Skepsis gesehen werden“, äußert sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Stephan Dieckmann.
Das findet auch Bernhard Block (CDW). „Natürlich besteht die Gefahr, dass die Cafés in der Innenstadt an Zulauf verlieren. Allerdings stehen die Märkte auf der ‚Grünen Wiese‘ auch in Konkurrenz zu den umliegenden Märkten und müssen auf neue Anforderungen reagieren.“
Die UWG vermutet zum Einen schon einen stärkeren Wettbewerb. „Allerdings werden die neuen Cafés wohl eher bei einem Einkauf besucht, was nicht unbedingt einen Umsatzrückgang in der Innenstadt bedeuten muss. Auf der anderen Seite kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden“, meint der Fraktionsvorsitzende Rainer Kolloge.
Ausgesprochen verstimmt reagiert der Handels- und Gewerbeverein (HGV) auf die jüngsten Entwicklungen. „Nachdem das Einzelhandelsgutachten vorlag haben wir mehre Male mit Immobilieneigentümern, Ladenbesitzern und der MIT an einem runden Tisch gesessen“, erinnert der HGV-Vorsitzende Johannes Lenzschau. Man habe sich damals intensiv eingebracht, um dem Rat für künftige Entscheidungen eine Orientierungshilfe zu geben. „Vieles davon ist in das Gutachten eingeflossen.“ Aus Sicht des HGV sei es ein guter Kompromiss gewesen, der dem Westring die Entwicklungsmöglichkeiten sichert und zugleich der Innenstadt einen gewissen Schutz bietet. Von diesen Ansätzen findet sich nach Lenzschaus Wahrnehmung jedoch nichts in den Entscheidungen wieder. „Der runde Tisch war das letzte Mal, dass wir etwas erfahren haben“, bedauert er. Weder Rat noch Verwaltung würden seitdem Informationen zur Verfügung stellen.
Der Originalartikel ist im Weser Kurier / Delmenhorster Kurier in der Ausgabe vom 12. März 2019 erschienen
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